The artistic works of the sculptor Roman Pfeffer enter into dialogue with the impressive Gothic architecture of the Dominican Church. At the center of the exhibition is the expansive sculpture Helix Simulator, which essentially consists of a converted rowing boat. In the video work Brain Twister (autogyrocopter), too, a rowboat is at the center of the action.
The sculpture LEAVE THE PLANET was created especially for the exhibition and is a vertical orientation relating to the dimensions of the church space. Sculptural works by Pfeffer, from the so-called Mazzocchio series, which are related to construction and deconstruction, can be seen for the first time in Krems. An exhibition by the Museum Krems in cooperation with the Kunsthalle Krems.
Eine Ausstellung des museum krems in Kooperation mit der Kunsthalle Krems.
Die Neuinterpretation oder auch die Transformation von Alltagsobjekten sind zentrale, immer wiederkehrende Elemente im künstlerischen Werk Roman Pfeffers. Mit bewusst ironischem Unterton vermisst, ermisst und dekonstruiert er genussvoll scheinbar fixe Ordnungssysteme, in die wir unsere Welt eingeschrieben haben. So wird der Olympia-Achter der österreichischen Nationalmannschaft, der in seiner elegant-länglichen Form stolze 17,5 Meter misst, zweckentfremdet und sorgfältig in 16 Segmente geteilt, wodurch eine Helix-ähnliche geschwungene Linie entsteht, die sich vom gotischen Hochchor der Kremser Dominikanerkirche in das Hauptschiff reckt.
In seiner schlichten Eleganz besticht Pfeffers Helix Simulator durch handwerkliche und technische Präzision. Die Arbeit tritt in Dialog mit der bestehenden gotischen Architektur, betont die Horizontale des Bodens und verweist gleichzeitig auf das zweite zentrale Werk der Ausstellung, LEAVE THE PLANET, ein weiteres umgebautes Ruderboot, das wie eine Rakete in den Raum zu starten scheint. Die spitz zulaufende Form der Skulptur, die an ihrer östlich ausgerichteten, offenen Seite an das Maßwerk gotischer Kirchenfenster erinnert, spiegelt sich formal in den tatsächlichen Spitzbogenfenstern des Chors. LEAVE THE PLANET könnte eine Aufforderung sein, ein Befehl, ein Appell - der zweite Teil des Ausstellungstitels könnte aber auch als Statement zu den Folgewirkungen menschlichen Handelns verstanden werden. Die etwa acht Meter hohe Skulptur wurde speziell für den mächtigen Kirchenraum konzipiert und scheint für einen Start bereit zu stehen. Ein Stuhl, als Teil der Konstruktion, verstärkt diesen Eindruck noch und lädt die BetrachterInnen offenbar dazu ein, abzuheben, zu fliehen und die Erde, auf der es zusehend ungemütlicher wird, hinter sich zu lassen. Ein scheinbarer Ausweg, der symbolhaft das Scheitern in sich trägt. In ihrer vertikalen Ausrichtung ist die Skulptur eine passende Referenz an die himmelwärts strebende, gotische Architektur und ein gelungenes Zitat unserer krisengeschüttelten und zunehmend unsicheren, kaum mehr messbaren Welt.
Das Systematische ist dem Künstler wichtig. So sind die 16 Segmente, in die Pfeffer seinen Helix Simulator zerlegt hat, nicht zufällig gewählt. 16 entspricht jener Anzahl von Teilen, die der „Mazzocchio" (ital. für Haarwulst) - ein kreisförmiges, achteckiges Gerüst, welches das Innere einer traditionellen florentinischen Kopfbedeckung in der Renaissance bildete - aufweist. Dem Florentiner Maler Uccello diente dieser Ring als Grundlage für perspektivische Studien. Pfeffer greift das Objekt als Inbegriff präziser Vermessung und Konstruktion in seiner Mazzocchio Serie auf indem er das ursprüngliche Erscheinungsbild verändert, den Körper seinem Kontext entreißt, ihn quasi „freistellt" und in immer neuen Varianten in verschiedenste Skulpturen transformiert. Zwei dieser exakt aus MDF Platten gefertigten Objekte hat Pfeffer in der Dominikanerkirche arrangiert. Die beiden Körper stehen - wie die gotische Architektur - für ein Ordnungssystem, das sie gleichzeitig konterkarieren und relativieren indem sie in ihrem Variantenreichtum den Absolutheitsanspruch von scheinbaren Gesetzmäßigkeiten als reine gesellschaftliche Übereinkunft entlarven. Auch in der zweiteiligen Videoarbeit Brain Twister (Autogyrocopter) stellt Pfeffer unsere gewohnte Ordnung im wahrsten Sinne auf den Kopf. Das Ruderboot, welches uns nach seiner Metamorphose als Helix Simulator begegnet, wird in diesem Video in seiner Ursprungsform zum Propeller umfunktioniert, den der Künstler auf einem Podest stehend auf seinem Kopf balanciert. Dieser simple Eingriff ist überraschend und effektvoll zugleich und macht die Lust Roman Pfeffers am Umordnen und Umdenken sichtbar.
Die Anordnung der beiden Bildschirme in den Seitenschiffen der Kirche ergeben gemeinsam mit LEAVE THE PLANET beinahe ein Triptychon - eine weitere Referenz an den Ort und seinen ursprünglichen religiös-liturgischen Zweck. Oder doch nur eine ironische Anspielung?
Gregor Kremser, September 2020
Museum Krems
Website Roman Pfeffer
#romanpfeffer #contemporaryartist #sculpture #kremsmuseum #kremskunsthalle #exhibition